Pforzheim, 23.02.2013: Erfolgreiche Proteste gegen Naziaufmarsch! Brettener LINKE im Polizeikessel „in Gewahrsam genommen“!

Seit zehn Jahren gedenkt Pforzheim offiziell der Opfer der alliierten Bombenangriffe vom 23. Februar 1945, bei denen Schätzungen zufolge 17600 Menschen ums Leben kamen. Bereits seit fast zwanzig Jahren zieht es auch Neonazis aus Anlass dieses Jahrestages in die Stadt. Als »Freundeskreis ›Ein Herz für Deutschland‹« provozieren sie dort regelmäßig mit einer »Fackel-Mahnwache« und bagatellisieren die Verbrechen des deutschen Faschismus.

Gegen den diesjährigen Naziaufmarsch, der am Samstag stattfand, demonstrierten am frühen Abend auf dem Pforzheimer Marktplatz rund 1300 Menschen. Bürgermeister Gert Hager (SPD) verurteilte den »schändlichen Missbrauch« des Gedenktags durch die Nazis. Am Nachmittag hatte zuvor in der Innenstadt eine Kundgebung der »Initiative gegen Rechts«, einem breiten überparteilichen Bündnis, mit etwa 700 Teilnehmern stattgefunden. Dort wandte sich u.a. ver.di-Landeschefin Leni Breymaier, in einer Ansprache dagegen, »dass die Rechten diesen Tag missbrauchen«.

Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Kai Hoffmann und Rüdiger Jungkind, die beiden Gründer der »Initiative gegen Rechts«, eingeleitet und Flugblätter des Bündnisses beschlagnahmen lassen. Karin Binder, MdB der LINKEN und Teilnehmerin an den Protesten vom Samstag, hatte diese Schikanen in der vergangenen Woche als »Skandal« bezeichnet.

TeilnehmerInnen einer anderen Demonstration erging es noch ärger: Als 600 Personen versuchten, sich dem Naziaufzug auf dem Wartberg zu nähern und diesen zu blockieren, wurde etwa die Hälfte von ihnen von Einsatzkräften der Polizei umstellt. Bei eisigen Temperaturen und Schneefall mussten die Festgehaltenen bis zu sechseinhalb Stunden in dem Kessel ausharren. Darunter befanden sich auch mehrere Mitglieder der LINKEN Bretten und ihr Bundestagskandidat Heinz-Peter Schwertges aus Zeutern. Der Wartberg, eingehüllt in Flutlicht, umschlossen von Bauzäunen sowie Hamburger Gittern und Pferdestaffeln, glich einer Festung die letztendlich nur dazu diente den Nazis den Weg zu ebnen. Gegen 20 Uhr verkündete der Einsatzleiter über Megaphon – dokumentiert auf youtube – die Versammlung sei aufgelöst, es handle sich um eine »Notstandsmaßnahme im Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung«. Anschließend sollten die DemonstrantInnen zum Zweck der Personaldatenerfassung einzeln den Platz verlassen. Zynisch fügte Einsatzleiter Metzger hinzu: „Frauen und unter-18-jährige zuerst!“

 

Der antifaschistische Widerstand führte dazu, dass über die Hälfte der angereisten Nazis nicht in Pforzheim demonstrieren konnten, sondern in Mühlacker auf einem Bahnhofsvorplatz eine Ersatzkundgebung abhalten mussten. Lange Zeit waren nur 20 Nazis auf dem Wartberg, die bereits seit dem frühen Nachmittag dort in der Kälte verharrten. Nichtsdestotrotz betätigte sich die Polizei als Helfershelferin der Nazis und geleitete eine größere Gruppe über kleine Schleichwege durch die Hänge des Wartbergs auf den Kundgebungsplatz. Am Ende der Mahnwache waren es zwar 95 Faschisten, die es verspätet auf die Aussichtsplattform schafften – jedoch weit weniger als in den vergangenen Jahren und nicht einmal die Hälfte der an diesem Tag angereisten Nazis.

Karin Binder bekundete Respekt für die Demonstranten, die mit körperlichem Einsatz und »zivilem Ungehorsam« versucht haben, sich den Nazis entgegenzustellen. Mit friedlichen Bürgerprotesten auf Marktplätzen allein sei gegen die braune Brut nichts auszurichten. Zu einer anderen Einschätzung kam dagegen Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD): »Es darf nicht sein, dass Extreme, ob rechts oder links, diesen Gedenktag an die fürchterlichen Folgen des Angriffskrieges der Nazis für ihre Zwecke missbrauchen», betonte er am Sonntag. Am Samstag hätten sich in Pforzheim «unschöne Szenen» zugetragen.

Heinz-Peter Schwertges kritisierte den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig und äußerst brutal. Das es auch anders geht, zeigte sich in Mannheim am letzten Samstag. Der direkte Vergleich der Aktionen am 16. Februar in Mannheim und am 23. Februar in Pforzheim unter grundsätzlich gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen verdeutlichte die politische Dimension ordnungspolitischer Entscheidungen. Der rechte Hardliner OB Hager (SPD) und Einsatzleiter Metzger entschieden sich dafür, Pforzheim temporär in einen autoritären Polizeistaat zu verwandeln, während OB Kurz (SPD) und Einsatzleiter Gräter in Mannheim eine andere Linie verfolgten, Antifaschismus als legitimes Anliegen sahen und durch Deeskalation Verletzte und Verhaftungen vermieden und so nicht zum Handlanger der Nazis wurden. Auch Schwertges bekundete für die LINKE-Bretten seine Hochachtung für den Protest und Widerstand – und sieht sich solidarisch mit den DemonstrantInnen als konsequente wehrhafte DemokratInnen und VerteidigerInnen der antifaschistischen Zivilgesellschaft.


Hinterlasse einen Kommentar