Gespräch mit polnischen Leiharbeitern

30. April 2014  Allgemein

Von Matthias Menzel (BAK Bretten)

Nach monatelangen Versuchen, mit Leiharbeitern ins Gespräch zu kommen, die bei Deuerer arbeiten und deren „Unterkünfte“ im Stadtbild immer noch unschwer zu erkennen sind, gelang es uns schließlich doch noch, mit zwei aus Polen stammenden Arbeitern eine ausführliche Unterhaltung zu führen. Da wir uns in Bretten trafen, nennen wir die Beiden doch einfach Piotr und Pawel.
Beide waren als Leiharbeiter über die Firma IH Direkt plus GmbH bei Deuerer beschäftigt. Informationen über die Arbeitsbedingungen, sowie über die Unterbringung der Arbeiter/Innen, wurden bereits in Artikeln auf nadr.de, sowie in der Kontext:Wochenzeitung veröffentlicht. Neu waren, zumindest für uns vom BAK, einige Details zur Unterbringung und ganz allgemein zum Verhalten der Firma IH Direkt den Arbeitern gegenüber.

IH Direkt annonciert(e) in Polen mit Versprechen wie: „Arbeit in der Produktion von Katzen- und Hundefutter; wir bieten: einen 4-Schicht Arbeitsbetrieb, Unterbringung und Fahrt zur Arbeit, Arbeitsvertrag, Versicherung, sowie Lohnzulagen.“

Die Realität bei Ankunft in Bretten sah dann so aus: den beiden Herren wurden von der Geschäftsführerin Frau Dej ein Platz in einem Zimmer zugewiesen, Herr Piotr, der mit seiner Frau angereist war, erhielt ein Zimmer von etwa 2,5 x 2,5 Metern, für das er und seine Frau jeweils 350€ monatlich zu bezahlen hatten.

Zimmer eines Leiharbeiters in Bretten

Herr Pawel kam in ein ähnlich kleines Zimmer, musste jedoch 400€ als Miete entrichten. Auf Diskussionen ließ sich Frau Dej, nach Aussagen der beiden Arbeiter grundsätzlich nicht ein, dieses Zimmer oder keines!

Bei den Unterkünften die IH Direkt an ihre Arbeiter untervermietet, handelt es sich zum Teil um normale mehrstöckige Wohnhäuser (Friedrichsstraße in Bretten, Römerstrasse in Gölshausen), die nicht für die Unterbringung von bis zu 20 Menschen eingerichtet sind. In Gölshausen mussten sich, nach Aussage von Herrn Pawel, alle 20 Mitbewohner eine Dusche mit WC teilen, was, wie er mit drastischen Worten erzählt, einfach unerträglich war. Durch den Mehrschichtbetrieb bedingt, war ein ständiges Kommen und Gehen in den Wohnungen, Schlafen bedingt durch den ständigen Lärmpegel nur sehr eingeschränkt möglich.

Wer „Sonderwünsche“ für die Unterbringung hatte, konnte sich auf der ausgehängten Preisliste orientieren, hier ein Beispiel für die „neuen“ Mietpreise ab 01.02.2013, die laut Aushang, „wegen gestiegener Preise für Strom, Wasser und Heizöl angepasst werden mussten“:

Zweibett-Zimmer: 375€ / Monat
Dreibett-Zimmer: 350€ / Monat
Vierbett-Zimmer: 325€ / Monat
Fünfbett-Zimmer: 275€ / Monat
Sechsbett-Zimmer: 250€ / Monat
Achtbett-Zimmer: 225€ / Monat

Preise jeweils pro Person!

Sowohl Herr Piotr wie auch Herr Pawel, mussten während ihrer Zeit bei IH Direkt mehrmals die Unterkunft wechseln, dies wurde ihnen nach Rückkehr von der Arbeit „befohlen“. Hielt man sich nicht an die Anweisungen der Geschäftsführerin von IH Direkt, Frau Dej, so wurden Konsequenzen (Mieterhöhungen) angedroht, erinnert sich Herr Piotr.
Auf unsere Nachfrage, was denn im Mietvertrag vereinbart wurde, versicherten beide Herren, dass es keinen Mietvertrag gebe, die Miete wird monatlich als „Abschlag“ vom Lohn abgezogen.

Abrechnungs-Ausschnitt
Hier ein Ausschnitt einer Lohnab-rechnung, unschwer ist der Posten Abschlag zu erkennen, der eigentlich besagt, dass dem Arbeit-nehmer ein Vorschuss ausbezahlt wurde. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Firma IH Direkt jeden Hinweis auf eine Vermietung von Wohnraum an die Arbeiter vermeiden möchte: kein Mietvertrag, keine offensichtlichen Mietzahlungen, statt dessen verdeckte Abzüge für an Wucher grenzende Preise.

Es folgten für die beiden polnischen Leiharbeiter, die ja eigentlich zum Geldverdienen nach Deutschland gekommen waren, weitere kostspielige Überraschungen: für Arbeitskleidung waren 62,50€, für eine „arbeitsmedizinische Untersuchung“ 25€ zu bezahlen, obwohl auf den entsprechenden Formularen vermerkt war, dass der Unterzeichnende bestätigt, diese Leistung umsonst (bezpłatnie) erhalten zu haben!

Abrechnung Arbeitskleidung Leiharbeiter

Abrechnung Arbeitskleidung Leiharbeiter

Wie bei der Unterkunft, so wurden auch am Arbeitsplatz Anordnungen mit Drohungen durchgesetzt, beide Herren arbeiteten im Industriegebiet Gölshausen, wo Deuerer mehrere Lagerhallen besitzt. Um zum Beispiel ein Rauchverbot, auch in den Pausen durchzusetzen, wurde bei Zuwiderhandlung eine „Versetzung“ in die Produktion in Rinklingen als höchstmögliche Strafe angedroht!
Falls ein Arbeiter/In krank wurde und sich die Arbeitsunfähigkeit nicht als sehr kurzfristig herausstellte und auch auf Druck der Geschäftsführerin die Arbeit nicht aufgenommen wurde, erfolgte die sofortige Kündigung. Denn, wie Herr Pawel selbst aus dem Munde der Geschäftsführerin Frau Dej hörte: „Trupów w pracy nie potrzebujemy„, übersetzt soviel wie: Leichen bei der Arbeit können wir nicht gebrauchen.

Nicht genug, dass diese Menschen wie Vieh in heruntergekommene Unterkünfte zu Wucherpreisen gepfercht wurden, auch die Arbeit selbst wurde ihnen durch ständiges Drohen und völlige Bevormundung durch eine als extrem launisch beschriebene Geschäftsführerin erschwert.

Die Beschäftigung beider Leiharbeiter endete nach etwas mehr als einem Jahr, Kündigungsgrund war die Anmietung einer eigenen Wohnung. Herr Piotr bewohnt jetzt mit seiner Frau eine eigene Wohnung für die er auch 700€ bezahlt, nur mit dem Unterschied, dass er nunmehr 10 mal mehr Wohnfläche zur Verfügung hat, sowie ein eigenes Bad/WC!

Lassen Sie mich aber noch eine Anmerkung zum Verhalten der Stadtverwaltung und des Gemeinderates Bretten machen: beiden städtischen Einrichtungen war und ist die Situation der Leiharbeiter, die über verschiedene Arbeitsvermittler bei Deuerer arbeiten, bekannt. Bevor dies öffentlich wurde, unter anderem durch eine Sendung beim SWR, vermietete die Stadt Bretten über ihre Wohnungsbau GmbH sogar indirekt (über die Arbeitsvermittler) Wohnraum an die Leiharbeiter!

Wie seit Amtsantritt von OB Martin Wolff üblich geworden, wurde das Problem hinter verschlossenen Türen erledigt: in nichtöffentlicher Sitzung wurde beschlossen, nichts zu tun! Ein Armutszeugnis für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat der Melanchthonstadt Bretten.
Man leistet sich eine Melanchthon-Akademie, die man sich 400.000€ kosten lässt, aber für was Melanchthon stand, hat man nie gewusst, oder bei all der öffentlichen Show um ihn, vergessen: Humanismus. Hätte auch nur einer der Beteiligten dieses Prinzip des menschlichen Miteinander verinnerlicht, hätte er einer solchen Entscheidung nie zustimmen können!

Hintergrund der städtischen „Apathie“ ist sicherlich das eiskalte Kalkül, alles was mit dem „größten Steuerzahler“ der Melanchthonstadt zu tun hat, unter dem Teppich zu halten. Hierüber ist man sich fraktionsübergreifend, offensichtlich auch bei der Fraktion der Grünen, einig!

Aber auch die Tatsache, dass einige der an Leiharbeiter vermietete Wohnhäuser wohlhabenden Brettener Mitbürgern gehören, die sich dadurch ebenfalls an den bedauernswerten Arbeitssklaven schadlos halten, empfinde ich persönlich als unerträglich.

Wir vom BAK werden den beiden polnischen Leiharbeiter mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten helfen, zu ihrem Recht zu kommen, denn wir reden nicht nur über Humanismus und Europa…

 

Originalartikel auf BAK-Webseite


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