Zu Breitingers Thesen: Die Trennlinie in der Gesellschaft verläuft nicht zwischen Nationalitäten, sondern zwischen Unten und Oben!

29. Dezember 2011  Pressemitteilungen

In der jüngsten Ausgabe des vom Heimatkreis Oberderdingen herausgegebenen „Rundbriefs“ hat Herr Bürgermeister a. D. Erwin Breitinger Aussagen gemacht, die eines kritischen Kommentars bedürfen. Seine Ausführungen richten sich nicht nur gegen Menschen mit Migrationshintergrund, sondern letztlich ganz allgemein gegen die arbeitende Bevölkerung in diesem Land. Nicht von ungefähr macht Herr Breitinger Migranten und Angehörige angeblich „bildungsferner Schichten“ (der so genannten „Unterschicht“) für demographische und soziale Probleme verantwortlich und lobt demgegenüber die „Vermögenden“.

Was hier zutage tritt ist Sozialrassismus, eine Form von Rassismus, die den Menschen allein nach seiner wirtschaftlichen „Nützlichkeit“ beurteilt. All denen, die nicht (oder zuwenig) „nützlich“ sind, wird letztlich das Existenzrecht in diesem Land abgesprochen. Konsequenterweise fordert Herr Breitinger, noch darüber hinausgehend denn auch, Entwicklungshilfe auf die Förderung von Maßnahmen zur Geburtenreduzierung zu beschränken – wer nicht genügend Gewähr bietet, „nützlich“ zu sein, soll also erst gar nicht auf die Welt kommen. Hatten wir ähnliche Denkweisen nicht schon einmal zwischen 1933 und 1945, als die Nazis mit Zwangssterilisation und der massenhaften Vernichtung von Menschen gegen angeblich „unnütze Esser“ vorgingen?

Menschen mit Migrationshintergrund gibt es in der Bundesrepublik seit über fünf Jahrzehnten. Der Grund dafür ist, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Heimatländern dieser Menschen nicht zuletzt von westlichen (auch deutschen!) Großkonzernen immer wieder gebremst wurde. Vor allem die Länder des Mittelmeerraumes wurden bestenfalls als „verlängerte Werkbank“ und Rohstofflieferanten betrachtet, eigene industrielle Ansätze wurden niederkonkurriert. Diese Vorgänge können wir in weiter verschärfter Form gerade wieder in Griechenland beobachten. Die gleichen westlichen Konzerne hatten aber auch ein Interesse daran, die Migranten hierzulande als billige Arbeitskräfte einzusetzen. Sie sollten helfen, Unternehmensgewinne zu steigern und ansonsten möglichst den Mund halten. Ihre Rechte waren und sind ebenso eingeschränkt wie ihre Bildungschancen. Heute allerdings, angesichts der internationalen Schulden- und Wirtschaftskrise, braucht man Sündenböcke, um von Ursachen und Folgen der Krise abzulenken – Minderheiten, wie Migranten, scheinen dafür bestens geeignet.

Doch verläuft die entscheidende Trennlinie in unserer Gesellschaft eben gerade nicht zwischen Migranten und Einheimischen, sondern zwischen Unten und Oben: Zwischen jenen, die den materiellen Reichtum in den Betrieben erarbeiten und jener immer kleineren Schicht, die sich eben diesen Reichtum aneignet.

Wir alle – egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion etc. – haben gerade jetzt in der Krise allen Grund, zusammenzuhalten – im Betrieb, im Wohngebiet und in der Schule. Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen, wir müssen uns vielmehr gemeinsam gegen die Sparorgien in Bund, Ländern und Kommunen, gegen die Niedriglohnpolitik der Unternehmen, gegen Miet- und Preissteigerungen und gegen den Abbau demokratischer Rechte wehren. Die Thesen des Herrn Breitinger aber tragen (genau wie jene seines geistigen Stichwortgebers Thilo Sarrazin) zur Spaltung der Gesellschaft bei. Breitinger baut falsche Fronten auf und lenkt damit von den Verursachern der Krise ab. Denn an jahrelangen Reallohnverlusten, an Hartz IV, an der Rente mit 67, an den Verschlechterungen im Gesundheitswesen und an der Ausdünnung der öffentlichen Infrastruktur sind nicht die Migranten schuld – sie müssen all dies vielmehr gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung ausbaden.

DIE LINKE, Ortsverband Bretten


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